Die Muse

Eva Thomkins war es ein Herzensanliegen, die künstlerische Entwicklung anderer Menschen zu fördern. Nicht nur in ihrem Beruf als Kunsterzieherin, sondern vor allem auch in Bezug auf ihre eigenen Kinder und ihren Mann. Dessen Genie erkannte sie schon sehr früh und sie unterstützte seine Entwicklung in jeder Hinsicht: materiell, emotional und organisatorisch.

Muse für André Thomkins:

Foto: Caterina Auffarth

Als sie ihren späteren Ehemann André 1950 in Paris kennenlernte, „und die noch schüchtern-selbstzweiflerisch unter dem Bett verwahrten meisterlichen Zeichnungen … zu sehen bekam, wußte sie bereits im gleichen Augenblick, welche Aufgabe ihr ein gemeinsames Leben in der Zukunft abfordern mochte. Sie hatte diesem Zauberer der Phantasie jenen abfedernden Raum von materieller Sicherheit, familiärer Wärme und künstlerischer Freiheit zu geben.*
Briefwechsel von Eva und André

Und nicht nur das, sondern sie nahm sich auch künstlerisch zurück, weil ihre strahlend-schönen, kraftvollen Stilleben und Portraits, diese Suggestivkraft ihrer Palette Andrés zarten Gespinsten Konkurrenz machten. Das hätte ihn irritiert, sagt sie. Sie will ihn nicht mit ihren Bildern, die größer und farbgewaltiger als seine waren, erschlagen.
Außerdem muss wenigstens einer die siebenköpfige Familie ernähren.

Als Verwalterin des Nachlasses ihres berühmten Mannes, dessen Gemälde und Federzeichnungen heute in internationalen Museen und Privatsammlungen hängen, organisiert sie Ausstellungen und sorgt für die Veröffentlichung seiner Werke in Katalogen und Kunstbüchern.
Homepage André Thomkins

Muse für ihre Kinder

Ihre Kinder macht sie von Anfang an mit unterschiedlichsten Techniken vertraut. Nahezu jeder Gegenstand des täglichen Gebrauchs ist selbstgestaltet: angefangen bei den aus dicken Eisenbahnbrettern bestehenden, bunt gestrichenen Möbeln (die junge Familie hat kein Geld), über selbstgefertigtes Geschirr, selbstgenähte Kleider bis zu diversen künstlerischen und kunsthandwerklichen Techniken (Töpfern, Emaillieren, Weben, Malen, Zeichnen, Hinterglasmalerei, Knüpfen, Schnitzen…).
Diese Techniken unterrichtet Eva in der Schule, bringt sie mit nach Hause und auch André lässt sich vielfach davon inspirieren, wie sein breites Methodenrepertoire zeigt.
Hinzu kommt, dass Eva die Familie mit Kunstbüchern versorgt und sie häufig mit ins Museum nimmt. Am Liebsten wäre ihr gewesen, wenn alle Kinder Künstler würden. Dazu fördert sie deren gestalterische Entwicklung auch durch gezielte Aufträge.

Die Thomkins - eine Künstlerfamilie Haus am Lützowplatz, Berlin, 1994Diese engagierte Förderung bleibt nicht ohne Wirkung, wie die beruflichen Lebenswege der Kinder und der Katalog zur Ausstellung*: „Die Thomkins – eine Künstlerfamilie Haus am Lützowplatz, Berlin, 1994“ zeigen:

Nicolas besucht die Kunstakademie in Düsseldorf und macht seinen Hochschulabschluss als Industrie-Designer an der Folkwang Hochschule Essen. Eva unterstützt seinen Werdegang, indem sie ihn zum Beispiel mit der Gestaltung zweier Küchen beauftragt, die er später auch als Serie produziert.
Nicolas Auszeichnung

Jenison strickt in ihrem Auftrag kunstvolle Jacken. Eva schlägt ihr vor, es ihr gleich zu tun und Professorin für Textilgestaltung zu werden. Jenison studiert daraufhin Ethnologie und Kunstgeschichte und unterrichtet neun Jahre lang textil-künstlerisches Gestalten an der Kölner Uni, wo sie Evas Nachfolge als Unterrichtsbeauftragte antritt. Ihre spätere Berufung wird Lehrtrainerin für Persönlichkeitsentwicklung mit Schwerpunkt auf kreativer Seminargestaltung. Ihr heutiger Seminarort ist das ehemalige Atelier der Mutter. Jenisons Homepage

Die Jüngste, Natalie, erhält Intensiv-Unterricht durch die Mutter im Studium der Ornamentik und der Farbe. Sie studiert Kunst an der Berliner Hochschule der Künste. Natalie malt Evas Wohnung aus, was zu einem Teil ihrer späteren Laufbahn als Malerin wird. Sie ist heute freischaffende Malerin in Italien.
Natalies Homepage

*(Karin Thomas, in: „Die Thomkins-eine Künstlerfamilie“, Katalog Haus am Lützowplatz,1994, S.17)
* Dieser Ausstellungskatalag ist noch bei der Familie erhältlich!